№ 12 GermanZero: Graswurzelbewegung zwischen Druck und Dialog

Wie ticken eigentlich gesellschaftliche Graswurzelinitiativen? Darüber sprechen wir in dieser Folge mit Evelyn Bodenmeier, Mitglied der Geschäftsleitung bei GermanZero. Die Mission von GermanZero hat einen klaren Fokus: Wir entwickeln zusammen mit Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft bis zum Herbst 2021 ein Gesetzespaket, dass den Höchstwert der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzt – ein Ziel, von dem die aktuelle Klimagesetzgebung in Deutschland weit entfernt ist. Angestrebt wird, dass im Frühjahr 2022 der Entwurf des Gesetzes mit einer 2/3-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat entschieden wird, um Deutschland bis max. 2035 in die Klimaneutralität zu führen.

Wir wollten von Evelyn lernen, wie sie als gesellschaftliche Graswurzelbewegung Menschen hinter sich gesammelt haben, eine Organisation aufgebaut haben und wie sie sowohl Köpfe als auch Herzen gewinnen.

Wir lernen: Es braucht Charme. Es braucht Nachhaltigkeit. Es braucht Vertrauen auf mehr gutes Bauchgefühl und weniger strukturierte Projektpläne. Es braucht Ansprache von Menschen in unterschiedlichen Kontexten, für Menschen, die noch in starren Strukturen leben, für Menschen, die schon in New Work unterwegs sind, manche digitalisiert, manche analog. Evelyn Bodenmeier sieht sich als Integrator: “Wir lassen jedem sein Wertesystem, wir suchen die größte gemeinsame Schnittmenge”

Um das Ziel zu erreichen, braucht es viel Wissen und Verständnis. Die Akteure von germanZero müssen verstehen: Warum sind Entscheidungen in Politik und Wirtschaft, die diese adressierten Defizite hervorrufen, so gefallen? Wer ist der Akteuer, der dafür gesorgt, dass beispielsweise die CO2 Bepreisung bei 25 Euro liegt und nicht so wie vom Umweltbundesamt empfohlen, bei 180 Euro? Dafür braucht es Dialog, Wissenschaft, engagierte Zivilgesellschaft, Menschen aus Politik und Verwaltung, um zu verstehen, warum die Entscheidungen so gefallen sind, und es braucht die Wirtschaft, um zu verstehen, welche Rahmenbedingungen sie braucht.

Wir diskutieren mit Evelyn aber nicht nur die integrative Stärke einer Bewegung, wir sprechen auch über Rebellentum. Der Rebell, so Evelyn, ist unglaublich wertvoll. Aber er braucht Begleiter und Unterstützung. Der Rebell zeigt auf, dass sich etwas verändert, dass Potential da ist. Und dann braucht es diejenigen die dieses Potential entfalten und entwickeln.

Wir schauen gemeinsam auf das organisatorische Zielbild, angelehnt an die Soziokratie ist die eine Zellstruktur, die es ermöglicht, sich schnell rund um eine Idee zu organisieren, vielleicht auch wieder schnell auseinander zu gehen, während andere Strukturen “erwachsen” werden und sich institutionalisieren. Wir erfahren, dass in dieser Zellstruktur von GermanZero, in diesem Mehrzeller, mehr als 11.000 Menschen engagiert sind, bei 25 hauptamtlichen und 360 ehrenamtlichen Personen. Wir lernen, wie wichtig moderne Kollaborationstechnologien sind, um Aktionen abzustimmen, gleichzeitig an Dokumenten zu arbeiten, schnell alle Gruppen einzubinden – Dinge, die früher so nicht schnell und nahtlos umsetzbar waren.

Und zuletzt erfahren wir von unserer Gesprächspartnerin, was sie einem Graswurzel-Akteur rät: Idee aufschreiben und vor allem verbildlichen. Die Idee den Freunden vorstellen, Kritik aufnehmen und diese nicht persönlich mitnehmen. Begeisterung mit Skizzen statt mit Hochglanzfotos wecken. Und hartnäckig dran bleiben.

Wer das gesellschaftliche Anliegen dieser Initiative unterstützen will, kann dies mit einer Spende tun unter https://www.germanzero.de/spenden

Unseren Podcast gibt es auf allen gängigen Plattformen:

Informationen zu unserem Buch “Graswurzelinitiativen in Unternehmen” gibt es -> hier.

Zitate

“Wenn man Ideengeber ist, ist man nicht unbedingt ein guter Umsetzer. Es brauch die Fähigkeit zu Kommunizieren und zu begeistern, aber auch die Fähigkeit, dies langfristig anzusiedeln. Es braucht das Aufgreifen dieser Idee, aber auch das operationalisieren dieser Idee.”

“Ich würden den Begriff “Druck” ersetzen durch “Anreize” oder “Impulse” , denn Druck löst Gegendruck aus.”

“Wenn wir über Graswurzelbewegungen sprechen, dann haben wir es heute mit Zellstrukturen zu tun, die sich finden, Themen bearbeiten. Menschen kommen mit ihren Kompetenzen hinein, es gibt Fluktuation, man macht Vereinbarungen und die Organisationen geben sich eine Art Grammatik – und innerhalb der agiert man dann.”

“Man muss sich davon verabschieden, dass man es kontrollieren will. Sondern was man mit auf den Weg gibt, ist ein Wertesystem: Was macht uns aus, was ist unser Purpose – und dann muss man auf den Reichtum der Vielfalt setzen”

“Man muss rauskommen aus ‘entweder oder’  und im ‘und’ denken. Ist extrem und radikal immer die Antwort? Kann es in manchem sein, da braucht es das auch, aber das Handeln muss in Bezug auf Zielgruppe und Akteure angepasst sein. Es ist nie falsch, es ist immer die Frage des richtigen Orts, der richtigen Zeit und des richtigen Framings”

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