berlinDWM: Thesen zum Brückenbau in die Neue Arbeitswelt
Heute steht ein spannender Abend auf der Tagesordnung: Auf dem 4. Digital Workplace Meetup zum Thema „Neue Arbeit“ diskutieren wir die Herausforderungen beim Brückenbau zwischen traditioneller und neuer Arbeitswelt. Eine Reihe von Thesen sind auf der Meetup-Seite schon in den Kommentaren gelistet, aber dort schwer zu diskutieren. Daher hier nochmal der aktuelle Stand der Thesen:
Lars Vollmer, Autor von „Zurück an die Arbeit“ und Vordenker zum Themenfeld „Neue Arbeit“ hatte vorgelegt mir folgenden Thesen:
1. Es ist strategisch unklug, Moral und Wirtschaft miteinander zu verknüpfen. Weil sich Wirtschaft nicht von Moral belehren lässt. **Wir tun daher gut daran, Wertschöpfungprobleme und moralische Probleme gedanklich voneinander zu trennen, erst dann können wir moralisch erstrebenswertere und gleichsam wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen erschaffen.**
2. Das Menschenbild in vielen Teilen der heutigen Wirtschaft ist (leider) noch zutiefst paternalistisch. Moralgeschwängerte Sozialargumentation trifft viel zu häufig auf massiven ideologischen Widerstand. Wertschöpfungsargumentationen sind nach meiner Erfahrung für viele außerhalb der einschlägigen Szenen deutlich verdaubarer. **Wir tun gut daran, die Debatten zur Zukunft der Arbeit noch viel stärker mit schlüssigen Wertschöpfungsargumenten zu versehen.**
3. Zumeist fehlt Menschen in tayloristischer Tradition die schlichte Vorstellung, wie Unternehmen ohne z.B. Budgets, Performance Management, Reisekostenrichtlinien, Vertriebsprovisionen oder Jour Fixes mehr als 2 Monate überleben könnten. **Wir tun gut daran, die toxische Wirkung dieser Praktiken und – falls überhaupt erforderlich – mögliche Alternativen schlüssig aufzuzeigen.**
4. Soziale Systeme bestehen nicht aus Menschen, sondern aus Kommunikation. Dieser gewöhnungsbedürftige Gedanke birgt die Chance, aus den Schuldzuweisungs-Spiralen rauszukommen. Denn weder die wahlweise gierigen, drögen oder kapitalistischen Chefs noch die vermeintlich verantwortungslosen, unkreativen oder freizeitfixierten Mitarbeiter sind Schuld an der Misere. **Wir tun gut daran, vermehrt darauf hinzuweisen, Strukturelemente zu entwickeln, als an Menschen rumzuschrauben und den fruchtlosen Versuch zu unternehmen, Kultur direkt zu gestalten zu wollen.**
5. Veränderung kann durch Lust oder Leid angestoßen werden, also durch einen emotionalen Anschub. Und durch die intellektuelle Variante, der Überzeugung. Viel zu wenige Unternehmen gestehen sich nach meiner Auffassung weder das Leid ein, das durch aus der Zeit gefallene Arbeitsformen entsteht noch entwickeln sie die Lust, sich mutig und freudvoll auf neue Formen einzulassen. **Wir tun daher gut daran, zusätzlich intellektuelle Formen der Überzeugung anzubieten, um die notwendigen Veränderungen zu initiieren.**
Ergänzt habe ich heute einige Gedanken aus meiner Projekterfahrung:
These 1: Digitale Werkzeuge wie Enterprise Social Networks könnten für freien Informationsfluss und bessere Zusammenarbeit in der Arbeitswelt von Morgen sorgen. Die Führungkraft verliert die Filterfunktion. Wenn aber Mitarbeiter offline nicht kommunizieren, wenn sie in der Kohlenstoffwelt schon nicht zusammenarbeiten wollen und ihr Silo nicht verlassen können, wenn eine Atmosphäre der Angst herrscht, dann wird ein digitales Werkzeug auch wenig ausrichten. **Wir müssen weniger über Technologie als Heilsbringer reden also über die Chancen, die für Mitarbeiter und Führungskräfte in veränderten Arbeitsweisen liegen**
These 2: Die technologische Entwicklung hat es auch innerhalb des Unternehmens möglich gemacht, zahlreiche Prozessen und Verfahren zu automatisieren und auf den Mitarbeiter zu verlagern. Da wo in der Vergangenheit Büromaterialbestellungen und Reisemittelfreigaben von der Führungskraft freigegeben werden mussten, entscheiden heute Algorithmen. Die traditionelle Führungskraft verliert ihre Steuerungsfunktion, hat aber nie das neue Rollenverständnis der Führungskraft verinnerlichen können. **Wir werden nicht alle Führungskräfte mitnehmen können. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit neue Werte in der Führung Raum greifen können und falsch verstandener Kontrollwahn sich nicht neue Betätigungsfelder sucht.**
These 3: Wir berlinDWM-Teilnehmer sind Teil einer Filterblase, in der „Patch@Work“, virtuelles Arbeiten, die vielen Co-Working- und Crowdworking-Möglichkeiten, also „flexible Zusammenarbeit in einer thematisch orientierten Projektorganisationsform“ zum Alltag gehören. Wir müssen realisieren, dass nur ein kleiner Teil der digitalen Vorreiter in dieser Welt lebt. Missionarischer Eifer erstickt beim schwäbischen Werkzeughersteller die Einführung neuer Arbeitsmethoden im Keim. **Augenhöhe bedeutet auch, dass wir uns auf die reale Arbeitswelt und die Werte und Einstellungen der heutigen Arbeitnehmer einlassen müssen**
These 4: Den Kampf um die vermeintlich „Besten“ werden die meisten Unternehmen verlieren. Employer Branding Kampagnen vor dem Hingergrund des „War for talent“ sind meist Scheingefechte. Wichtiger ist, wie wir die Potentiale einer zum großen Teil unengagierten Belegschaft (siehe Gallup-Werte) wieder heben. **Wir müssen den Blick mehr auf die Potentiale der Belegschaft richten als auf die Gewinnung der High Potentials aus der Gen Y und Z**
These 5 (und vor dem Hintergrund von Trump, Brexit ok die schwierigste These): 1. Die Arbeitswelt ist kein Paralleluniversum. Die Arbeitswelt ist teil der Gesellschaft und spiegelt diese wider. Im Großteil der Unternehmen werden Versuche scheitern, partizipatorische Formen der Zusammenarbeit und Führung durchzusetzen, wenn gleichzeitig antidemokratische Grundhaltungen in der Gesellschaft Konjunktur haben. Das bedeutet auch, dass wir mit agilen, partizipatorischen, vernetzten und offenen Arbeitsweisen einen Großteil der Arbeitnehmerschaft nicht erreichen werden. **Wir müssen Mitarbeiter und Führungskräfte auch in Bezug auf ihre Werte dort abholen, wo sie heute stehen**
Sigi Lautenbacher ergänzt:
„Spät aber doch meine Vorschläge zur Diskussion heute abend: Sie sind explizit als Anregungen gedacht und nicht als Urteile:
(1) Meine erste These ist ein Zwischenruf an uns selbst und an all die „New Work“ Zeloten und „FutureofWork“ Evangelisten: „Vor allem habe er Demut“ schreibt der Hl. Benedikt in seinen Regeln. Ich glaube: Wirtschaftsunternehmen haben die gleichen Sorgen wie die katholische Kirche. Wir müssen das aushalten. Die erste These lautet also: Wir müssen dorthin, wo die Sorgen der Mehrzahl der Mitarbeiter*innen sind und umsetzbare Vorschläge machen.
(3) Mit meiner dritten These wird es psychologisch. Es hat was mit dem „es gibt kein richtiges Ausstrecken in der falschen Badewanne“ zu tun. Wir haben es zunehmend mit neurotischen Strukturen in Organisationen und Gesellschaft zu tun, die wir nur auflösen, wenn wir auch an den Wurzeln arbeiten.
Die dritte These lautet daher: In einer VUCA Welt brauchen wir selbstverantwortliche Mitarbeiter*innen und Führungskräfte. Dickes Brett, das die Bildungsdebatte miteinschließt.
(2) Unsere Sprachspiele überprüfen. Wie wäre es, wenn wir keine abgrenzenden Begriffe verwenden würden, die dazu noch moralisch aufgeladen sind? Meine zweite These heißt daher: Statt von „neuer Arbeit“ sollten wir von „exzellenter Arbeit“ sprechen.
(4) Der digitale Mindset wird sich nur einstellen, wenn die Wirkprinzipien des exzellenten Arbeitens am eigenen Leib erfahren werden können. Das heißt: Konkrete Angebote machen: für die Personalentwickler, für die IT-Truppe, für das Vorstandsbüro.. In anderen Worten: Aufzeigen, wie wir die Probleme von heute lösen helfen. These 4 heißt daher: Aufhören darüber zu sprechen, wie die Arbeit verändert werden soll, anfangen, es zu tun.
(5)Meine fünfte These beschäftigt konsequenterweise mit Plattformen für die digitale Zusammenarbeit. Wie Lars Vollmer es in einer seiner 4. These schreibt: Soziale Systeme bestehen aus Kommunikation.
Das ist ein sehr wichtiger Gedanke: Veränderungen der Organisation stellen sich dann ein, wenn wir Stück für Stück, Schritt für Schritt die Art verändern, wie sich Menschen miteinander vernetzen. Meine fünfte These lautet daher: Digitale Plattformen der Zusammenarbeit sind die Pfeiler unserer Brücken.
Weitere Thesen werden hier im Laufe des Tages noch folgen und als Ergebnis der heutigen Diskussion. Daher nochmal Reminder: 19:00, Sankt Oberholz Zehdenicker, Digital Workplace Meetup! Und wer nicht kommen kann: Hier kommentieren!
Update 17. November:
Hinter uns liegt ein kontroverser Abend. #NewWork trifft auf „Coroporates“, psychologische und soziologische Grundlagen versus Suche nach Handwerkszeug.
Eine spannende Diskussion im Nachgang hier auf -> Facebook zu dem Abend. Die Aufzeichnung der Diskussion steht auf Youtube bereit: