Wirsindaudi
№ 19 Gemeinsam für AUDI – wenn Mitarbeiter Zeichen setzen
Alfred Weck und Gregor Szczeponik haben die Nase voll: „Wir lassen uns unser Unternehmen nicht kaputt machen!“ Das ist ihre Reaktion auf den Sturm der Beschimpfungen in sozialen Netzwerken, der auf ihren Arbeitgeber AUDI, die Produkte und die Kollegen niederprasselt nach dem Bekanntwerden des Diesel-Skandal. Mit ihrer Facebook-Gruppe „#WirSindAUDI“ nehmen sie die Herausforderung an und gehen auf die Kritiker zu, laden zum Dialog ein, besänftigen wütende Kommentatoren. Sie treibt eine berechtigte Sorge um: Was, wenn die Kunden nicht mehr ins Audi-Autohaus gehen? Was, wenn sie keinen Audi mehr kaufen? Was wird aus uns, die wir diese Produkte mit viel Liebe fertigen? Dabei geht es nicht nur um die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes, sondern zuallererst um das Selbstwertgefühl und den verletzten Stolz derjenigen, die das Produkt mit den eigenen Händen fertigen.
Beide sind Produktionsmitarbeiter, eigentlich weit weg von den Büro-Etagen, in denen interne Kommunikation, Marketing und Weiterbildung gedacht werden, dafür nah dran am Band und damit am Produkt. Es ist spannend zu sehen, dass eine Gruppe von Mitarbeitern wirklich ganz tief aus der Mitte der Organisation zu Markenbotschaftern wird, dabei bewußt und geschickt Arbeitsnehmerseite und Arbeitgeberseite zusammenbringt, unterstützt wird von Betriebsrat, Gewerkschaft aber auch den Organisationseinheiten und daran arbeitet, das Bild von Audi in der Öffentlichkeit zu verbessern und damit auch die Interessen aller Seiten miteinander zu verbinden.
Aus einer kleinen Initiative wird eine Gruppe die mit aktuell über 7.500 Mitglieder, die also mittlerweile 12% der gesamten deutschen Belegschaft umfaßt. 99% der Mitglieder sind Audianer, aber auch ehemalige Mitarbeiter werden erreicht. „7 bis 8 Stunden am Tag investieren wir neben unserem normalen Job“ erzählt Alfred Weck. Es geht um Prüfung von Kommentaren und Beiträgen, Moderation von Dialogen – die Akteure sind nebenbei auch echte Community Manager.
Nicht nur das Bild der Audi in der Öffentlichkeit setzen sich die Akteure zum Ziel. Sie wollen auch ihre Kollegen aus der Fertigung mitnehmen auf die technologische Reise. Denn jahrzehntelang dominierten nur zwei Technologien: Benziner und Diesel. Beim Schwung Richtung Elektromobilität drohen die Mitarbeiter auf der Strecke zu bleiben. Die Gruppe organisiert auf eigene Faust Elektromobilitätsschulungen, klärt auf, nimmt Ängste.
Im nächsten Schritt entwickeln die Akteure e-Learningmodule, die sie für Kollegen ebenfalls auf der Plattform bereitstellen. Auf ihre Weise überbrückt damit die Gruppe einen in vielen Unternehmen bestehenden Graben zwischen „Frontline-Worker“, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Fertigung, und den Kollegen im „indirekten Bereich“, wie Alfred Weck sie nennt. Denn mithilfe der Facebook-Community werden die Mitarbeiter dort erreicht, wo die internen Medien des Unternehmens nicht hingelangen: Auf das Smartphone der Kollegen, die aus Datenschutzgründen keinen Zugriff erhalten auf interne Ressourcen, aber eine ebenso großes Bedürfnis nach Teilhabe und Orientierung haben wie die Mitarbeiter im Büro.
Dieses Beispiel zeigt, dass Unternehmen sich mit einer echten Zeitenwende konfrontiert sehen: Wann haben sich Werksmitarbeiter jemals solche strategische Fragen zur Zukunft gestellt, und wann haben sie jemals die Kraft und Wirksamkeit entfalten können, ungeachtet ihrer Rolle am Band ihr Unternehmen auch kulturell mitzugestalten? Wir lernen im Gespräch, wie diese „selbstorganisierte Kommunikationsabteilung“ funktioniert, wie sie eine Lücke füllt, die die Organisation selbst nicht ausfüllen kann. Und wir können erleben, wie sich Kollegen aus der Fertigung für ihr Produkt, ihr Unternehmen und ihre Kollegen engagieren. Ein spannender Einblick in eine Graswurzelinitiative, die wirklich mitten im Herz des Unternehmens entstanden ist.
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Informationen zu unserem Buch „Graswurzelinitiativen in Unternehmen“ gibt es -> hier.
Zitate
„Stillstand ist immer Ende – wenn man sich nicht bewegt, nicht neues wagt und macht, dann geht es einem irgendwann so wie Nokia – dann ist man weg vom Fenster.“
„Je mehr Du eine auf den Deckel kriegst, desto emotionaler wird die ganze Geschichte – und wenn man Emotionen macht, dann soll es vielleicht doch in der Familie bleiben und nicht nach draußen gehen“
„Ich arbeite am Band. Solange ich positive Sachen mache für die Firma, ja was kann mir passieren? Das wird sehr schwer. Und da gehört ein bisschen Mut dazu.“
„Es geht auch irgendwann an die Substanz. Du hast Deinen Hauptjob, mit dem Du Dein Geld verdienst, und alles andere ist Ehrenamt. Ja, sie könnten Dir sofort definitiv den Stecker ziehen. Wir suchen aber immer vorher das Gespräch und versuchen, die Dinge wenn es möglich ist abzuklären.“
„Du kannst bei uns auf Augenhöhe sprechen – egal Uhrzeit, Ort, egal welchen Rang jemand hat, bei uns sind sie alle gleich. Egal ob Reinigungskraft oder Vorstand, wir sind eines. Das ist der Netzwerkgedanke dahinter.“
Links
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