Vernetzte Sparkassen

Die Sparkassen haben es nicht einfach. Zumindest nicht, wenn man mit mehr als 200.000 Mitarbeitern in einer verteilten, föderalen Struktur auf eine immer dynamischere, schwer berechenbare Entwicklung der Bankenwelt und Finanzdienstleisterbranche reagieren muss.

Seit 2011 durfte ich die ersten Gehversuche zum Thema vernetzte, offene Zusammenarbeit in der Sparkassenfinanzgruppe mitgestalten, habe diverse Organisationen bei der Implementierung neuer zeitgemäßer Formen der Zusammenarbeit begleitet, die “Fachtagung Digitale Transformation” der NOSA ins Leben gerufen, und auf verschiedenen Foren und Tagungen das Lied des digitalen Wandels gesungen. Es ist bis heute ein mühsames Unterfangen, die Erfolge vieler Einzelprojekte in der Sparkassenfinanzgruppe auf die Gruppe insgesamt zu übertragen.

In der vorletzten Woche durfte ich auf Einladung der NOSA  ich den folgenden kleinen “Weckruf” halten, und da die Kamera versagte, hat man sich die Mühe gemacht, die etwas korrupte Tonspur mit meiner Folienschlacht zu synchronisieren:

https://youtu.be/m7IRlT7fFkc

Der Ostdeutsche Sparkassenverband, bekannt für seine Offenheit in Bezug auf den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien, hatte schon frühzeitig das Thema „Enterprise Social Networks“ auf die Tagesordnung gesetzt. Unter dem Motto „Menschen verbinden, Wissen teilen, Zukunft gestalten“ ging das Netzwerk OSV-CONNECT 2014 nach zwei Jahren Vorbereitung an den Start. Sparkassenzeitung, der Deutsche Sparkassenverlag oder das IT Finanzmagazin nahmen die Fährte auf. Alljährlich seit 2013 berichteten wir beim Bankers Campus in Potsdam über das Thema. Dennoch: Viele Inseln entstanden von Rostock über Erfurt, Kiel, München bis nach Saarbrücken. Aber: Man tut sich immer noch schwer mit der vernetzten Zusammenarbeit.

Dabei hatte ich mit Vergnügen schon in einem meiner früheren Auftritte das Deloitte Motto aufgegriffen für die bedrohten Branchen: Kurze Lunte, lauter Knall. Media, Handel und ja, dann die Banken und Versicherungen. Eigentlich müsste sich doch schon viel mehr bewegen, wenn der Tyrannosaurus Rex hinter einem her ist, oder?

Die Referenz auf eine Deloitte Studie aus dem Jahr 2015, die ich in meinem kürzlich erschienenen Artikel „Warum Vernetzung die Lösung ist“ erwähnte, nutzte ich letztens auch als Auftakt für das Forum Bürokommunikation beim Bankers Campus in Potsdam. Immerhin hatte ich an der Stelle schon seit mehreren Jahren den Aufbruch gepredigt.

Mein Frage dann heute: War die Lunte wohl doch nicht so kurz? Wird der Knall nur ein kleiner Schluckauf der Finanzwirtschaft, und danach geht alles eigentlich ruhig weiter? Oder warum bewegt sich gerade die Sparkassen-Welt so langsam?

In der abschließenden Panel-Diskussion hatte ich dann das Vergnügen, mit einigen der Akteuren aus dem Social Collaboration Umfeld der Sparkassen über das Thema vernetzte Kommunikation, den digitalen Arbeitsplatz und die Kultur der Zusammenarbeit zu sprechen.

Dabei betonte Marion Straub, verantwortlich für die Gestaltung des Digitalen Arbeitsplatz der Versicherungskammer, die zentrale Bedeutung des Faktors Vertrauen bei allen Gestaltungsherausforderungen in der digitalen Transformation. Gerade in konservativen Organisationen bleiben die Kollegen gerne in ihren Silos, und es ist keineswegs selbstverständlich, dass sich Mitarbeiter der Sparte Sachversicherung mit den Kollegen aus der Lebensversicherungs-Sparte austauschen.

„Es ist ein absoluter Kulturwandel, es ist kein Zuckerschlecken“ betont auch Holger Floß, Leiter Gremienmanagement beim Ostdeutschen Sparkassenverband, und stellt klar: “Die Menschen müssen das Warum verstehen!”

Für Sven Bradtke, verantwortlich für die IT der OstseeSparkasse (OSPA), liegt die Problematik weniger bei den Mitarbeitern als vielmehr bei den Führungskräften. Man sei zwar bei der OSPA bereits im Vergleich extrem flach aufgestellt und der Vorstand treibt und fördert die Digitalisierungsmaßnahmen. Dennoch ist es schwer, bei den Führungskräften Bereitschaft für offene Kommunikation zu erzeugen und an ihre Vorbildrolle zu appellieren. „Selbst nach vier Jahren ist noch harte Arbeit notwendig“, so Bradtke. “Oft tun Führungskräfte unbewusst Dinge, die sofort dafür sorgen, dass es Rückschläge gibt.”

 

https://youtu.be/PAgkOVW3kZc

 

Am Thema Rolle der Führungskräfte als Stolperstein oder als Treiber scheiden sich dann auch in der Diskussion die Geister. Bei der Versicherungskammer zeigen sich viele Führungskräfte interessiert und offen für neue Formen der Zusammenarbeit, so Marion Straub. Thomas Hentschel, Organisator des Events. und selbst “Betroffener” der neuen digitalen Werkzeuge, appelliert, dem Reflex nicht nachzugeben, die Führungskräfte seien an allem schuld.

Hier lohnt sich sicher der Querverweis auf die Digitalisierungsstudie der GFK, die zeigt, dass in der Wahrnehmung von Management und Mitarbeitern immer die anderen Schuld sind, wenn es nicht vorangeht mit der Transformation. Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung klaffen auf allen Ebenen auseinander.

Auch wenn viel von neuer Fehlerkultur die Rede ist: Ausprobieren, stolpern, aufstehen, neu machen – das sind nicht unbedingt Tugenden in der Finanzindustrie. Sichtbar wird das bei der Zusammenarbeit in den Communities. “Halbfertiges wird nicht gepostet” stellt Hentschel fest. Gemeinsame Arbeit an Entwürfen, frühzeitiger Input von anderen bei der Entwicklung von Inhalten, all das erfordert eine neue Kultur der Zusammenarbeit, Vertrauen und Respekt. Diese Haltung ändert sich nur langsam.

Welchen Stolperstein muss man aus dem Weg räumen, um zu einer neuen Kultur der offenen, transparenten Zusammenarbeit zu kommen, lautet meine Abschlussfrage in die Runde:

„Wir brauchen mehr engagierte Mitarbeiter, die als Initiative von unten als Multiplikatoren wirken.“ , so Holger Floß, der auch darauf verweist, dass es einen langen Atem braucht für den kulturellen Wandel. Sven Bradtke ergänzt, dass es auch manchmal einen klaren Schnitt geben muss. “Alte Wege müssen auch mal abgeklemmt werden”, und er verweist auch darauf, dass der Faktor “Skillset” oft unterschätzt wird. Die digitalen Fähigkeiten der Mitarbeiter werden oft überschätzt.

“Wie soll dann ein Mitarbeiter, der 20 Jahre lang Attachments an e-Mails gehängt hat, das von einem Tag auf den anderen ändern?” fragt Sven Bradtke. Einig ist sich das Panel, dass es eine Mischung aus Push und Pull geben muss. Ganz persönlich betonte Thomas Hentschel, dass er vor fünf Jahren den Appell zum neuen Weg der Zusammenarbeit nicht einordnen konnte. Erst durch selber machen, durch erleben, wie die offene Zusammenarbeit sogenannte “Wissenszufälle” produziert und man über wertvolle Informationen im Netzwerk stolpert, hat den Mehrwert erfahrbar gemacht.

Dass es dafür zuallererst Freiraum braucht, ist Konsens. Denn: “Wer seine Mitarbeiter einzäunt, wird Schafe bekommen”.

 

 

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